3. Teil – Die Jahre 1960 – 1975

Der neue Trainer der 1. Mannschaft zur Saison 1960/61 war der Sportlehrer Helmuth Krüger. Er war der richtige Mann am richtigen Platz, der die Mannschaft auch bald in den Griff bekam. In der Saison 1960/61 scheiterte man als Dritter mit 44-20 Punkten (81:33 Tore) nur knapp am Aufstieg in die 1. Klasse. Dies gelang aber in überzeugender Manier ein Jahr später, als man sich mit 50-6 Punkten und 123:26 Toren mit 6 Punkten Vorsprung als Erster für die
1. Klasse qualifizieren konnte. Hier gelang in der nächsten Saison 1962/63 sogar der Durchmarsch. Wiederum als Erster, diesmal mit 42-14 Punkten (74:29 Tore) gelang der Aufstieg in die Amateurliga, damals der zweithöchsten Berliner Spielklasse.

Plötzlich war auch der SC Gatow in der Presse kein Unbekannter mehr. Aufgrund des Erfolges wurden andere Vereine auf unseren Trainer Helmuth Krüger aufmerksam und so kam es, daß er ein Angebot von Hertha Zehlendorf erhielt. Da wir mit dem Regionalligisten nicht konkurrieren konnten, schieden wir in bestem Einvernehmen von unserem Trainer.

Überhaupt war es die Zeit, als das Geld immer mehr den Fußball zu bestimmen begann. Am 28.7.1962 wurde bezeichnenderweise im „Goldsaal“ der Dortmunder Westfalenhalle die Einführung der Bundesliga beschlossen, die am 24.8.1963 mit dem Spielbetrieb begann und den deutschen Fußball in nie geahnte Höhen führen sollte. Um konkurrenzfähig zu bleiben, benötigte auch der SC Gatow Sponsoren, die er in Oskar „Ossi“ Ernst, dem Gatower Landwirt, dessen Vater schon dem SC Gatow im Jahre 1931 durch die Überlassung von Teilen seines Ackers zum ersten Sportplatz verhalf, und Kurt Getzki, dem Besitzer der Kalksandsteinwerke im Habichtswald, fand. Beide übten damals auch offizielle Funktionen im SC Gatow aus, so war „Ossi“ Ernst 2. Vorsitzender und Kurt Getzki Schatzmeister. Dazu verschaffte auch der 1. Vorsitzende Ludwig Wendler dem einen oder anderen Spieler einen Arbeitsplatz, eine Wohnung oder auch einen damals üblichen Baukostenzuschuß.

Für die neue Saison in der Amateurliga brauchte man einen neuen Trainer, den man in Fritz Mauruschat fand. Und diese Verpflichtung schlug ein wie eine Bombe, denn Mauruschat war in Berlin kein Unbekannter, war er doch zuvor mit Tasmania 1900 in fünf Jahren dreimal Berliner Meister und dreimal Pokalsieger geworden. Da er schon 1950/51/52 dreimal mit TeBe Berliner Meister geworden war, war er damt einer der erfolgreichsten Berliner Trainer der Nachkriegszeit! Eigentlich wollte er sich wegen eines Beinleidens zur Ruhe setzen. Dem Vorstand gelang es jedoch nicht nur, Fritz Mauruschat für eine Trainertätigkeit zu gewinnen, dieser brachte auch gleich seinen Sohn Armin als Spieler mit, der ebenfalls mit Tasmania mehrmals Berliner Meister geworden war und zehnmal in der Berliner Auswahl gespielt hatte.

Und diese Verpflichtungen zahlten sich auch aus. So wurde man gleich im ersten Jahr in der Amateurliga Zweiter (41-19 Punkte und 67:44 Tore) hinter Viktoria 89, scheiterte aber in den Qualifikationsspielen mit 1:1 und 0:2 am BFC Südring, wobei man das Heimspiel (1:1) vor 2149 Zuschauern an der Neuendorfer Straße bestritt.

Den verpaßten Aufstieg holte man aber im nächsten Jahr nach. Als Zweiter mit diesmal 43-17 Punkten (68:30 Tore) stieg man in die Regionalliga Berlin auf, der höchsten Berliner Spielklasse, eine Klasse unter der Bundesliga!

Die Spieler erhielten nunmehr Verträge, weswegen man auch von der Vertragsliga sprach, bezogen auf Steuerkarte ein Gehalt und partizipierten über Prämien an den Zuschauereinnah-men. Da der Sportplatz in Gatow den Anforderungen nicht genügte, wurde in dieser Zeit sowohl in der Amateurliga als auch dann in der Regionalliga am Spandauer Askanierring gespielt. Das offizielle Handbuch über die Regionalliga vermeldete Kurt Schulz als Leiter der Fußballabteilung, der unter anderem für die Auszahlung der Gelder an die Spieler verantwortlich war!

Hertha BSC war die Bundesligalizenz wegen unerlaubter Handgeldzahlungen entzogen worden und mußte in der Saison 1965/66 in der Regionalliga Berlin spielen. Die Ansetzung wollte es, daß Hertha BSC in seinem ersten Spiel gegen den Aufsteiger SC Gatow spielen mußte. Das Spiel fand auf dem alten Hertha-Platz „An der Plumpe“ am Gesundbrunnen statt, die offizielle Zuschauerzahl betrug 4002, der SC Gatow ging nach der Pause sogar mit 1:0 in Führung, mußte allerdings am Ende eine 1:3 Niederlage hinnehmen. Für die meisten Gatower Spieler war das natürlich ein Riesenerlebnis, hatten sie doch noch nie vor einer solchen Kulisse gespielt. Das Spiel wurde damals im Radio übertragen. Während dem Reporter die Namen der Hertha-Spieler wie Faeder, Groß, Fahrian und Rehhagel leicht von den Lippen kamen, mußte er bei den Gatower Spielern schon ab und zu auf seinen Zettel gucken …

Gatow hielt sich übrigens auch im Rückspiel bei der 1:2 Niederlage vor 2067 Zuschauern am Askanierring achtbar, waren doch ansonsten hohe Hertha Siege wie 11:0, 9:0, 6:0 und 8:1 gegen den Zweiten Tennis Borussia an der Tagesordnung.

Als Vereinsheim fungierte zu dieser Zeit „Die Linde“, die von dem Gatower Manfred Schwedler, der damals auch Mitglied des SC Gatow war, betrieben wurde. Hier führte man vor wichtigen Spielen auch schon mal ein dreitägiges Trainingslager durch! Ansonsten spielte sich das Vereinsleben noch in dem Vereinszimmer , das der Umkleidekabine auf dem Sportplatz Gatow angeschlossen war, ab, wo insbesondere von Helmut Schiemann Getränke gereicht wurden. In der Umkleidekabine gab es auch jetzt noch keine Duschen und lediglich kaltes Wasser!

Leider stellte sich jedoch bald heraus, daß die Zuschauer nicht in dem Maße zu unseren Heimspielen kamen, wie es nötig gewesen wäre, um die Kosten für die Regionalliga zu decken. Als Neuling fehlte uns zudem die Erfahrung und so kam, was kommen mußte, wir gerieten in Geldschwierigkeiten. Auch Beitragserhöhungen konnten die Misere nicht mehr aufhalten, hinzu kamen noch Verletzungen der besten Spieler, so daß die Klasse nicht mehr gehalten werden konnte. Trotzdem schlug man sich als Vorletzter mit 19-41 Punkten und der neuntbesten Abwehr von 16 Mannschaften (36:60 Tore) recht achtbar. Großen Anteil an dieser soliden Abwehr hatte auch Klaus Hamm, der aus der eigenen Jugend hervorging und den viele für den besten Torwart halten, den der SC Gatow je hatte. Er spielte bis 1971 in der 1. Mannschaft und später noch in den Altersklassemannschaften.

Wie das nach einem Abstieg immer so ist, wanderten auch die besten Spieler ab, so daß man in Gatow kleinere Brötchen backen mußte. Insgesamt setzte ein Abwärtstrend der 1. Mann-schaft ein, der erst in der Saison 1973/74 sein Ende fand. Zunächst spielte man noch drei Jahre in der Amateurliga, Nachfolger von Fritz Mauruschat wurde Heinz Book. In der Saison 1966/67 belegte man mit ausgeglichener Bilanz (30-30 Punkte und 53:49 Tore) einen ordentlichen 9. Platz. Nach dieser Saison verließen mit Rüdiger Zierl (mit Trainer Book, Wangrin und Kupfermann zu Meteor 06), der aber schon 1969 wieder zurückkehrte, später auch in den Altersklassemannschaften spielte und bis heute Mitglied ist, sowie Hans-Jürgen „Sohne“ Sell (zum SBC), der 2003 aus alter Verbundenheit und alter Gatower Mitbürger wieder eintrat, zwei „alte“ Gatower den Verein, die nicht zu den schlechtesten Spielern gehörten , schon in der Regionalliga für Gatow gespielt hatten und deren Weggang die Mannschaft weiter schwächte. Während man im Spieljahr 1967/68 mit dem 14. Platz (19-41 Punkte, 31:70 Tore) die Klasse noch halten konnte, Trainer war jetzt Heinz Schumann, stieg man in der Saison 1968/69 mit derselben Platzierung und besserer Bilanz (23-37 Punkte, 31:66 Tore) aus der Amateurliga in die A- Klasse ab.

Auch in dieser Klasse spielte man drei Jahre. Zunächst konnte man mit nahezu ausgeglichener Bilanz den 9. Platz (30-30 Punkte, 55:64 Tore) und im Spieljahr 1970/71 dann den 8. Platz (29-31 Punkte, 44:47 Tore) belegen.

Am 6.11.1971 wurde im Gasthaus „Zur Linde“ mit einem großen Festakt das vierzigjährige Bestehen des SC Gatow gefeiert. Bemerkenswert war, daß sich neben einigen Privatleuten und Mitgliedern ca. 40 Gewerbetreibende, zumeist aus Spandau, als Sponsoren für die Tombola beteiligten, deren Erlös zur Förderung der Jugendabteilung bestimmt war. Jugendleiter war zu dieser Zeit Manfred Müller. Es gab zwar nur vier Jugendmannschaften, doch sollten die A-Jugend unter dem Trainer Wolfgang Jahn und die C-Jugend unter Wolfgang Kroop in der Saison 1971/72 erstmals in der Geschichte des SC Gatow Staffelsieger werden!

Für die erste Mannschaft brachte die Saison 1971/72 mit dem 15. Platz (19-41 Punkte, 35:61 Tore) und dem damit verbundenen Abstieg in die B-Klasse den vorläufigen Höhepunkt des Abwärtstrends.

Trainer wurde jetzt Karl-Heinz Lüdtke, der eigentlich Spieler der zweiten Mannschaft war und vom Vorsitzenden Ludwig Wendler und Klaus Dittmann mit dem Training beauftragt wurde. In der B– Klasse konnte man gleich eine gute Rolle spielen und wurde in der Saison 1972/73 Vierter (36-24 Punkte, 45:38 Tore).

Ende 1973 brannte dann die Baracke am alten Sandplatz ab, die als Umkleidekabine und Vereinszimmer genutzt wurde. Dusche und Umkleideräume lagen nunmehr im Keller der Grundschule, als Vereinszimmer diente ein Raum ebenfalls im Keller der Grundschule, wo ein Teil des Vereinslebens stattfand und von Klaus Dittmann Getränke ausgeschänkt wurden. Als externes Vereinslokal wurde von einigen Mannschaften auch der „Kupferteller“ in der Spandauer Zimmerstraße 19 genutzt.

Im kommenden Jahr 1974, dem Jahr der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland, gelang dann der ersten Mannschaft mit überzeugender Bilanz (50-10 Punkte, 91:41 Tore) als Erster der Wiederaufstieg in die A-Klasse. Die Spielserie 1973/74 war ohnehin eine erfolgreiche Saison, denn auch die 3. Mannschaft wurde Staffelsieger. Mitglied dieser Mannschaft waren unter anderem Viktor Fischer, Peter Waschnig, Wolfgang Podschadlowski und Peter Wilke, die dem Verein lange Jahre die Treue hielten und halten und auch später in den einzelnen Altersklassemannschaften mitwirkten.

Vorsitzender war jetzt Peter Wernau, ein Geschäftsmann, der unter anderem ein Möbelhaus und die Diskothek „Milli Vanilli“ in der Knesebeckstraße 35 betrieb. Er hatte Ludwig Wendler abgelöst, der dem Verein fast 20 Jahre vorgestanden hatte und dem man an dieser Stelle nur seinen Dank aussprechen kann!

Die erste Mannschaft konnte in der A-Klasse als Aufsteiger gut mithalten und wurde in der Spielserie 1974/75 gleich Vierter (34-26 Punkten, 70:42 Tore). Mitglied dieser Mannschaft waren auch die Sportkameraden Wolfgang Damm, Klaus „Katsche“ Rührmund und Michael Sprenger, die die Geschicke des SC Gatow in den nächsten zwei Jahrzehnten maßgeblich mitbestimmen sollten. Die Mannschaft präsentierte sich damals als verschworene Einheit, da die Spieler auch im privaten Bereich harmonisierten und viel miteinander unternahmen.

Der Frauenfußball hatte in organisierter Form seit Anfang der siebziger Jahre im DFB Einzug gehalten, 1974 wurde der erste offizielle Deutsche Frauenmeister gekürt. Auch am SC Gatow ging diese Entwicklung nicht vorbei, so stellte man in der Saison 1974/75 eine Mädchen-
mannschaft und ein Jahr später eine Damenmannschaft mit der Betreuerin Barbara Boehm.

Die Saison 1975/76 verlief insgesamt unbefriedigend. Der Trainer Karl-Heinz Lüdtke verlor aufgrund seines jugendlichen Alters zunehmend die Akzeptanz gerade bei den älteren Spielern wie Dieter „Kitty“ Werth, Klaus Grzyb und Rüdiger Zierl, so daß sich der Vorstand entschloss, nach der Halbserie Ende 1975 einen Trainerwechsel vorzunehmen.

Quellen:

Mitteilungsblatt zum 40. Stiftungsfest am 6.11.1971 (Manfred Müller,mm)

Arbeitskreis Gatow (Tabellen)

Wolfgang Damm
Helmut Groeger
Bärbel Haber
Klaus Hamm
Kurt Schulz
Hans-Jürgen „Sohne“ Sell
Peter Wilke
Adolf Wolter
Rüdiger Zierl
Vereinsinterne Unterlagen
Zusammengestellt von Gerrit Kähling

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